Nachdem wir unseren Workshop am Samstagabend beendet haben, ist für
den Sonntag ein Foto-Workshop und kleines Probelager geplant.
Ich möchte Bilder von mir in der Funktion als Medicus im
Contubernium machen und die drei Probanten Nico, Uwe und Stephan,
wollen natürlich ihre neuen Schuhe ausprobieren. Alexander hat den
Termin dieser Aktion zuvor der Presse mitgeteilt, so dass mit einigen
Besuchern zu rechnen war. Das Contubernium befindet sich auf einem alten
Bauernhof der mittlerweile als Pferdepension dient.
Gegen 13:00 Uhr ist noch nicht allzu viel los und ich kann in Ruhe
aufbauen und Gerhild Bilder machen.
Die Neuen in der Gruppe LEG XV PR. V. l. n. r. Dominik, Uwe, Nico,
Stepahn und Thorsten.
Leider ist das Licht in der Halle recht schlecht.
Dominik übt sich an der Kornmühle.
Es kommen die ersten Besucher und schon bald ist an fotografieren nicht
mehr zu denken. Alexander erklärt das römische Militär,
Gerhild die römische Küche und ich die antike Heilkunde.
Bis zum Nachmittag haben Jan und Dominik reichlich Korn gemahlen.
Wir hatten einige sehr interessierte Besucher und aller Hand damit
zu tun, die Fragen der Gäste zubeantworten.
Die Westdeutsche Zeitung (Barbara Ochs) schreibt dazu:
Jüchen/Wallrath. Es ist kalt, nur fünf Grad über Null.
Den Zuschauern wird noch eine Spur eisiger um die Füße,
wenn sie Alexander Schneider und seine Mannen beobachten, denn sie laufen
im Freien mit nackten Beinen und in Sandalen herum.
"Nur wenn man ruhig auf der Stelle steht, friert man, aber die Tunika
wärmt sehr gut, denn sie ist aus dicker, gewalkter Wolle",
versichert Alexander Schneider. Sich einfach eine Winterjacke
anziehen - heute unmöglich, denn Schneider ist Gründer der
Römerkohorte "Legionis XV primigeniae". Anders als viele tausend
Karnevalsfans auf den Straßen trägt die Kohorte vom
Niederrhein keine Kostüme, sondern ausschließlich authentisch
nachempfundene und zum größten Teil selbst hergestellte
Kleidung, wie sie von antiken Säulen und Darstellungen bekannt ist.
Untertunika, Tunika aus gewalkter Wolle, mit einem Gürtel um
die Hüfte gerafft, darüber ein acht Kilo schwerer
Schienenpanzer aus Eisen, selbst genähte Schuhe aus Leder,
Soldatenhelm, ein Schwert, ein Wurfspeer, ein Schild - das ist die
Grundausrüstung für einen Legionär.
Vieles wird selbst hergestellt, anderes wie der Schienenpanzer
muss im Fachhandel für Experimentalarchäologie gekauft werden,
wenn sich kein talentierter Hersteller findet. Das ist kein
günstiger Spaß: "Die Basisausstattung in durchschnittlicher
Qualität kostet etwa 1500 Euro", weiß Alexander Schneider
alias Caius Cassius Geminus und Zenturio der - mit sechs Männern,
zwei Frauen und zwei Jugendlichen etwas kleinen - Kohorte.
Von den Gagen ihrer Auftritte, etwa bei "Brot und Spiele" in Trier,
kauft sich die im Februar 2005 gegr¨ndete Legion XV nach und nach
weitere Ausrüstungsgegenstände hinzu.
Das ist überaus wichtig, denn die Experimentalarchäologie lebt
vom Ausprobieren. Und so nutzt der Zenturio jede Gelegenheit, um mit
den anderen Soldaten den Kampf zu üben. Beliebter Gegner dabei
ist Numerus Mallius Capito alias Nico Müller. Mit Holzschwert
und Weidenschild ausger¨stet, gehen sie aufeinander zu,
taxieren sich, verfolgen hochkonzentriert jeden Schritt des Gegners.
Schließlich macht der Zenturio einen Schritt nach vorn und versucht
am Schild vorbei den Gegner durch einen Stich zu treffen. Doch das
fast mannshohe Weidenschild schützt vor dem spitzen
Übungsschwert. "Die römischen Soldaten haben nicht wie die
Ritter mit dem Schwert geschlagen, sondern zugestochen. Durch die hohe
Infektionsgefahr wurden selbst kleine Wunden zur tödlichen
Verletzung", erklärt Schneider. Zuvor hatte der Soldat meist schon
das Pilum, seinen Wurfspeer auf den Gegner geschleudert. Traf er
damit das Schild, verbog sich die Spitze des kiloschweren Speers und
er konnte nicht mehr aus dem Schild gezogen werden.
Der Gegner war dadurch in seiner Bewegung behindert und warf meist den
Schild von sich.
Anstrengend und ungewohnt sind die Kämpfe mit dem Holzschwert
für Nico Müller, der noch Legionär in Probezeit, so
genannter Probatus, ist. Doch verletzt wird niemand, und selbst wenn:
beim Workshop war ein Medicus immer zur Stelle.
Oliver Teske, im wahren Leben Programmierer aus Oberursel, hat sich auf
die Medizin des 2. Jahrhunderts nach Christus spezialisiert und passt
deshalb gut zur Römerkohorte Niederrhein, die sich am 1. Jahrhundert
orientiert. Seine Frau Gerhilde und Sohn Jan sind ebenfalls mit von der
Partie und steuern Wissen bei. "Hefe kannten die römischen
Soldaten noch gar nicht, sondern sie benutzten Most zum Brotbacken",
erklärt Gerhilde Teske, deren eigentliches Fachgebiet das
antike Badewesen ist. Das war auch Alexander Schneider neu, der
gerade einem Probatus das Mahlen mit der Basalthandmühle zeigte.
Später wurde in dem offenen Kamin der Mannschaftsstube, des
Contuberniums, auch noch die typische Soldatenmahlzeit gekocht:
ein Brei aus Weizenschrot mit Gemüse. Ganz nach dem Motto:
Leben vom Ausprobieren.